Änderungen im Wohnungseigentumsgesetz
Nach vielen Jahren hat sich zum Jahresbeginn (1.1.2022) im Wohnungseigentumsgesetz in einzelnen Bestimmungen wieder wesentlich etwas geändert. Die Intention der Novelle war, den klimatischen Veränderungen Rechnungen zu tragen und Klimaziele besser/leichter zu erreichen. Die Änderungen haben unseres Erachtens (teilweise) nachhaltige Auswirkung auf das Zusammenleben der Eigentümer untereinander, insbesondere die Anpassungen in den Regelungen über Mehrheitsfindung werden Eigentümergemeinschaften „flexibler“ in der Entscheidungsfindung machen. Auch ist die Möglichkeit für hybride (physisch/virtuell) Eigentümerversammlungen geschaffen worden. Die wesentlichen Änderungen im Überblick sind:
1. Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft (§ 24 Abs 4 WEG 2002):
HINWEIS: die Änderung in diesem Punkt tritt erst ab dem 1.7.2022 in Kraft!
Bislang wurde ein Mehrheitsbeschluss durch die positive Stimmabgabe einer Mehrheit aller Miteigentumsanteile gefasst (absolute Mehrheit). Nunmehr kommt es entweder auf die absolute Mehrheit der positiven Stimmen an oder auf eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen (relative Mehrheit). Positive Mehrheits-Beschlüsse werden dann in Zukunft auch durch die positiven Stimmen von Zweidrittel (2/3) der abgegebenen Stimmen – berechnet nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile – gefasst. Voraussetzung ist jedoch, dass die Mehrheit zumindest ein Drittel aller Miteigentumsanteile erreicht.
Beispiel: Es wird ein Beschluss am Umlaufweg gefasst. 34% aller Miteigentumsanteile stimmen mit „JA“, 8% stimmen mit „NEIN“ und 2% enthalten sich der Stimme. Es haben demnach 42% (aller stimmberechtigten Anteile) an der Abstimmung teilgenommen. 2/3 der positiven Stimmen wären 28% (tatsächlich sind es 34%). 34% sind auch mehr als 1/3 aller Miteigentumsanteile der Liegenschaft. Der Beschluss kommt zustande. Nach altem Recht wäre kein Beschluss zustande gekommen, da nicht mehr als die Hälfte aller Miteigentumsanteile zugestimmt hat.
Erläuterungen im Detail finden Sie unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/I/I_01174/fnameorig_1011941.html
2. Zustimmungsfiktionen: E-Mobilität/Barrierefreiheit/Photovoltaikanlagen/Jalousien – Anpassung der Änderungs- und Erhaltungsvorschriften (§ 16 WEG 2002)
In der Vergangenheit sind immer wieder Vorhaben eines einzelnen Eigentümers an den hohen Hürden der Prüfung und insbesondere Zustimmung der Miteigentümer gescheitert oder haben zumindest die Umsetzung sehr erschwert. Nunmehr hat der Gesetzgeber für folgende Maßnahmen neu geregelt, dass eine Zustimmung als fingiert gilt (sofern keine wesentliche oder dauernde Beeinträchtigung eines Wohnungseigentums- oder Zubehörobjekts erfolgt):
- behindertengerechte Ausgestaltung eines Wohnungseigentumsobjekts oder von allgemeinen Teilen der Liegenschaft
- Schaffung einer Vorrichtung zum Langsamladen eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs (Ladevorrichtung), wobei hierzu ergänzend gilt: ein Wohnungseigentümer, der in seiner Garage oder an seinem Abstellplatz für ein Kraftfahrzeug eine einzelne Vorrichtung zum Laden eines elektrisch betriebenen Fahrzeugs angebracht hat, muss deren Nutzung nach Inbetriebnahme einer gemeinsamen Elektro-Ladeanlage unterlassen, wenn die Eigentümergemeinschaft dies auf Grundlage eines darüber gefassten Beschlusses von ihm verlangt und die elektrische Versorgung der Liegenschaft durch eine Beteiligung an der gemeinsamen Anlage besser genützt werden kann als durch die weitere Nutzung der Einzelladestation; diese Unterlassungspflicht tritt aber frühestens fünf Jahre nach Errichtung der Einzelladestation ein.
- Anbringung einer Solaranlage an einem als Reihenhaus oder Einzelgebäude errichteten Wohnungseigentumsobjekt
- Anbringung vom nach dem Stand der Technik notwendigen Einrichtungen für den Rundfunkempfang und den Empfang digitaler Dienstleistungen
- Anbringung von Vorrichtungen zur Beschattung eines Wohnungseigentumsobjekts (zB Rolläden, Außenjalousien, Markise), sofern sich diese harmonisch in das Erscheinungsbild einfügen
- Einbau von einbruchsicheren Türen
Die Zustimmung der Miteigentümer gilt als erteilt, wenn jeder Eigentümer von der geplanten Änderung durch gesetzeskonforme Übersendung verständigt wird und der Änderung nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Verständigung widerspricht. In der Verständigung muss die geplante Änderung klar und verständlich beschrieben sein und die Rechtsfolgen des Unterbleibens eines Widerspruchs erklärt werden.
Hat eine Änderung, für die auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen wurden, im Weiteren höhere Kosten für die Erhaltung dieser allgemeinen Teile zur Folge, so hat der Wohnungseigentümer die durch seine Änderung verursachten Mehrkosten zu tragen.
3. Mindestrücklage (§ 31 WEG 2002):
Neu ist, dass der monatliche Mindestbeitrag der Wohnungseigentümer zur Rücklage sich nunmehr (fix) nach der Nutzfläche des Gebäudes und dem Quadratmeterbetrag gemäß § 15a Abs 3 Z 4 MRG (derzeit € 0,90/m² Nutzfläche) berechnet wird. Der errechnete Gesamtbetrag wird entsprechend der Miteigentumsanteile aufgeteilt. Eine ausnahmsweise Unterschreitung ist nur zulässig, wenn dies wegen des besonderen Ausmaßes der bereits vorhandenen Rücklage oder wegen einer erst kurz zurückliegenden durchgreifenden Sanierung des Gebäudes nicht erforderlich ist.
Bei der Festlegung der Beiträge zur Bildung der Rücklage ist stets auf die voraussichtliche Entwicklung der Aufwendungen, darunter insbesondere auch auf künftige Aufwendungen zur thermischen Sanierung oder energietechnische Verbesserungen des Gebäudes, Bedacht zu nehmen.
4. Hybride Eigentümerversammlung (§ 25 Abs 2a WEG 2002):
Eine für Eigentümer angenehme Neuerung ist die Möglichkeit, dass der Verwalter hybride Eigentümerversammlung abhalten darf. Die Entscheidung liegt im Ermessen des Verwalters und wird von einigen Faktoren abhängig sein: Größe der Gemeinschaft und Anzahl der Eigentümer, Möglichkeit des Aufbaus einer Internetverbindung, Schwere der Besprechungsgegenstände etc.
Gedacht ist die Regelung primär als Ausnahme für einzelne Wohnungseigentümer um zum Beispiel in der COVID-19 Situation auch Personengruppen, die andernfalls an der Teilnahme gehindert werden, die Möglichkeit zu geben, sich in einer Versammlung aktiv und ohne sich vertreten zu lassen, einzubringen. Aus der Sicht von convival Immobilien wäre es wünschenswert gewesen, wenn nicht nur hybride Versammlungen, sondern auch gänzlich virtuelle Eigentümerversammlungen für zulässig erklärt worden wären. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass es zahlreiche Eigentümergemeinschaften gibt, bei denen eine ausschließlich virtuell abzuhaltende Versammlung gewünscht ist und generell virtuelle Teilnahmemöglichkeiten, die Teilnehmerzahl stark erhöht. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich in diesem Bereich noch in Zukunft etwas ändern wird, um einen zeitgerechten Modus zu schaffen.
5. Auskunftsrechte eines Eigentümers (§ 20 Abs 8 WEG 2002):
Nunmehr wurde gesetzlich klargestellt, in welchem Umfang Eigentümer das Recht haben (und ein Verwalter die Pflicht hat) Kontaktdaten der Miteigentümer zu erhalten bzw. zu übergeben. Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit einem Auskunftsbegehren stattzugeben ist:
- Die Verständigung der anderen Wohnungseigentümer muss für die Ausübung von Rechten und Gestaltungsmöglichkeiten, die sich aus dem Wohnungseigentum ergeben, notwendig sein. Diese Notwendigkeit ist gegenüber dem Verwalter darzulegen.
- Die erhaltenen Daten dürfen ausschließlich für die genannten Verständigungszwecke verwendet werden.
- E-Mail-Adresse dürfen stets nur mit der Einwilligung des betreffenden Wohnungseigentümers mitgeteilt werden.
Grundsätzlich kann jeder Wohnungseigentümer dem Verwalter die Weitergabe seiner Zustellanschrift untersagen. Diesfalls muss jedoch gleichzeitig eine andere inländische Anschrift oder E-Mail-Adresse bekanntgegeben werden, über die er verständigt werden kann, damit nicht der Fall eintritt, dass ein Eigentümer nicht (für den Verwalter) erreichbar wäre.
Bei weiteren Fragen zu den Änderungen im Wohnungseigentumsgesetz 2002 kontaktieren Sie uns gerne über unser Kontaktformular oder wenden Sie sich an:
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