Mängel im Neubau – Die Bedeutung der Gewährleistungsbegehung
Beim Neubau oder bei umfassenden Sanierungen besteht nach österreichischem Recht eine gesetzliche Gewährleistungsfrist von drei Jahren (vgl. dazu unseren Beitrag „Auf versteckte Mängel beim Immobilienkauf achten“). Während dieser Zeit hat der Bauträger oder das Bauunternehmen Mängel, die bereits bei der Übergabe vorhanden waren oder aus Planungs- und Baufehlern resultieren, auf eigene Kosten zu beheben.
Eine professionelle Gewährleistungsbegehung sollte idealerweise kurz vor Ablauf dieser Frist stattfinden. Dabei prüfen Sachverständige die Bausubstanz unter anderem auf:
- Setzungsrisse in Wänden und Decken
- Feuchtigkeitsschäden und Schimmelbildung
- Mangelhafte Abdichtungen bei Fenstern und Türen
- Isolationsprobleme und Wärmebrücken
- Schadhafte Verputz- oder Bodenbeläge
- Technische Mängel an Heizung, Sanitäranlagen oder Elektroinstallationen
- Mangelhafte Ausführung von Dächern
Oft treten diese Probleme erst nach einiger Zeit in Erscheinung und können zu massiven Folgekosten führen. Durch die rechtzeitige Identifikation und Meldung an den Bauträger oder das verantwortliche Unternehmen können Eigentümer ihre rechtlichen Ansprüche durchsetzen und teure Reparaturen vermeiden.
Kostenersparnis durch frühzeitige Mängelerkennung
Ein häufiger Irrtum vieler Eigentümer ist die Annahme, dass Baumängel bereits bei der Übergabe erkannt würden – und wenn man nichts sieht, sei alles in Ordnung. Tatsächlich entwickeln sich viele Bauschäden jedoch erst durch den normalen Gebrauch der Immobilie. Schäden aufgrund mangelhafter Ausführung eines Gewerkes treten häufig früher ein als erwartet und verkürzen die wirtschaftliche und technische Lebensdauer erheblich.
Ein Beispiel:
Wird eine undichte Balkonabdichtung nicht erkannt, kann dies zu massiven Wasserschäden an der darunterliegenden Wohnung führen. Die Sanierungskosten solcher Fälle können schnell in die Zehntausende gehen. Wird das Problem jedoch rechtzeitig entdeckt, muss der Bauträger/Errichter im Rahmen der Gewährleistung die Mängel auf eigene Kosten beheben.
Empfehlungen zur Mängelerkennung und -behebung im Wohnungseigentum
Im Wohnungseigentum empfiehlt es sich, dass die Eigentümer im Rahmen einer Eigentümerversammlung gemeinsam mit der Hausverwaltung die wesentlichen Aspekte der Mängelerkennung und Mängelbehebung erörtern. In weiterer Folge sollte ein koordiniertes Vorgehen festgelegt werden. Dieses sieht in der Regel wie folgt aus:
1. Beschlussfassung zur Bestellung unabhängiger Sachverständiger
Zunächst sollte ein Beschluss zur Bestellung unabhängiger Sachverständiger aus den Gewerken Hochbau, Dach/Abdichtung und – falls erforderlich – Haustechnik gefasst werden. Die Hausverwaltung wird daraufhin Angebote einholen und die Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragen.
2. Feststellung und Weiterleitung von Mängeln
Werden durch die beauftragten Sachverständigen Mängel festgestellt, so werden diese durch die Hausverwaltung an die verantwortlichen Parteien – insbesondere den Bauträger, mitunter auch direkt an ausführende Unternehmen – übermittelt und um Stellungnahme gebeten.
An diesem Punkt trennt sich erfahrungsgemäß die Spreu vom Weizen:
- Zuverlässige Bauträger oder Unternehmen setzen sich mit den festgestellten Mängeln auseinander, geben eine Stellungnahme ab und richten gegebenenfalls Rückfragen an die Sachverständigen. Sie zeigen damit ihre Bereitschaft, die Mängel ernst zu nehmen und einer positiven Lösung zuzuführen.
- Andere Bauträger reagieren oft nicht auf Mängellisten, behaupten pauschal, es gebe keine Mängel, oder versuchen, auf Zeit zu spielen. Der Hintergrund: Werden Mängel nicht innerhalb gesetzlicher Fristen gerichtlich geltend gemacht, verjähren sie. In einem solchen Fall könnten sich die Verantwortlichen erfolgreich aus ihrer Haftung entziehen.
Ein häufiger Irrtum unter Eigentümern besteht darin zu glauben, dass das bloße Melden eines Mangels bereits genügt, um diesen wirksam geltend gemacht zu haben. Verantwortliche neigen daher zu unverbindlichen Aussagen wie: „Wir sehen uns das an“, „Wir melden uns bei Ihnen“ oder „Wir nehmen das auf die Liste“. Auf diese Weise vermeiden sie klare Stellungnahmen oder ein rechtlich relevantes Anerkenntnis. Ist die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung einmal abgelaufen, entfällt häufig die Möglichkeit, die Verantwortlichen zur Beseitigung zu verpflichten.
3. Beschlussfassung zur gerichtlichen Geltendmachung
Sofern beim Bauträger keine konstruktive Zusammenarbeit und keine freiwillige Erledigung der Mängelliste erfolgt, wird es notwendig, in einer weiteren Eigentümerversammlung einen Beschluss darüber zu fassen, dass die Mängel gerichtlich geltend gemacht werden sollen.
Das Recht, Ansprüche gerichtlich durchzusetzen, steht grundsätzlich jedem Eigentümer einzeln zu. Im Wohnungseigentum ist jedoch vorgesehen, dass die einzelnen Wohnungseigentümer ihre Ansprüche an die Eigentümergemeinschaft abtreten können, sodass diese – vertreten durch die Hausverwaltung – im Namen aller handelt.
Der Vorteil dieses Vorgehens: Nicht ein einzelner Eigentümer trägt das volle Prozessrisiko, sondern die Eigentümergemeinschaft gemeinsam. Dies ist insbesondere dann zielführend, wenn die Mängelliste umfangreich ist und mit einem aufwendigen Verfahren inklusive gerichtlicher Sachverständiger zu rechnen ist.
Je höher der Streitwert und je mehr Beteiligte am Verfahren involviert sind, desto höher können auch die Prozesskosten werden.
Ein aktueller Fall aus unserer Begleitung:
Auch knapp zwei Jahre nach Klagseinbringung wurde noch immer kein gerichtliches Gutachten erstellt, da allein die Terminfindung äußerst aufwendig ist. Jeder bisherige Prozesstag hat mehrere Tausend Euro gekostet. Zudem ist die Wohnungseigentümergemeinschaft als Klägerin verpflichtet, die Kosten für die Gerichtssachverständigen vorzustrecken. So sind – nach knapp zwei Jahren ohne nennenswertes Ergebnis – bereits Kosten in Höhe von beinahe 100.000 Euro angefallen.
Zwar werden diese im Fall eines Obsiegens von der Gegenseite getragen, dennoch zeigt sich deutlich: Ein einzelner Eigentümer könnte sich ein derartiges Verfahren in den seltensten Fällen leisten. Daher ist ein gemeinsames Vorgehen umso wichtiger – nicht nur finanziell, sondern auch strategisch.
Fazit: Unabdingbarer Schutz vor hohen Kosten
Die Investition in eine Immobilie soll langfristig Sicherheit und Lebensqualität bieten. Ohne eine professionelle Gewährleistungsbegehung kann aus dem ersehnten Wohntraum schnell eine Problemimmobilie werden. Hohe Sanierungskosten, aufwendige Rechtsstreitigkeiten und ein erheblicher Wertverlust der Immobilie sind die Konsequenzen einer versäumten Mängelüberprüfung.
Daher sollten Eigentumserwerber rechtzeitig handeln und eine fachkundige Gewährleistungsbegehung durchführen lassen. So bleibt der Wohntraum bestehen – ohne böse Überraschungen.
Es geht dabei nicht darum, zwanghaft nach Fehlern zu suchen. Vermutlich ist die überwiegende Mehrheit aller Neubauten oder Ausbauten fach- und sachgerecht erfolgt. Es ist jedoch legitim, sich diese Erkenntnis durch beigezogene Fachleute bestätigen zu lassen.
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